Crailsheim - Schwäbisch Hall - Hessental
Öhringen Hbf - Heilbronn Hbf (- Eppingen)
1862 - 2021 (Eröffnung 02. August 1862)
Die ersten Lokomotiven und Wagen kommen aus Esslingen
Wetterfeste Männer lenken die Dampfrösser auf der Kocherbahn - Waggons haben noch keine Toiletten
von Gerhard Gutbrod †
Die erste Lokomotive, die auf deutschen Gleisen rollte, trug den stolzen Namen „Adler". Ab 1835 pendelte der Adler
mit seinen kutschenartigen Wägelchen zwischen Nürnberg und Fürth hin und her. Aber eigentlich war die Maschine
ein Import aus England, ebenso wie ihr Herr und Meister William Wilson, der in Bayern sesshaft wurde.
Wilson fuhr den Adlerzug im Freien stehend bei jedem Wetter in Rock und Zylinder, ruinierte dabei seine
Gesundheit und musste nach 25 Jahren seinen Dienst aufgeben.
In Württemberg begann das Eisenbahnzeitalter zehn Jahre später als in Bayern. Mit sechs Maschinen,
die in Einzelteilen aus den USA kamen und von den mitgereisten Monteuren erst einmal zusammengebaut
werden mussten, nahmen die Königlich Württembergischen Staatseisenbahnen ihren Betrieb auf.
Genau wie Lokführer Wilson mussten die amerikanischen Kollegen in der Anfangsphase die Maschinen
fahren und betreuen, bis das deutsche Personal mit der Technik vertraut war.
Schnell hatten Ingenieure und Techniker in Baden und Württemberg die Möglichkeiten der
Dampfkraft auf Schienen erkannt und konstruierten eigene Fahrzeuge. Emil Kessler gründete zuerst in Karlsruhe
und später in Esslingen leistungsfähige Maschinenfabriken und baute dort Lokomotiven und Waggons in großem Stil.
Die ersten Maschinen, die ab 1862 auf der so genannten „Kocherbahn" zwischen Heilbronn und Schwäbisch Hall
unterwegs waren, dürften Produkte der Maschinenfabrik Esslingen gewesen sein und so oder ähnlich
ausgesehen haben, wie die Lokomotive „Esslingen" auf dem Foto. Im Gegensatz zum „Adler ' gab es nun schon
zwei angetriebene Achsen mit den typischen riesigen Rädern. Der vordere Teil des Kessels mit dem gewaltigen
Schornstein ruhte auf einem zweiachsigen, beweglichen Laufgestell. Lokführer und Heizer
standen auch hier ohne jeden Schutz im Freien und mussten entsprechend wetterfest sein. Etwas
mehr als 20 Tonnen wog ein solches, schön verkleidetes und bemaltes Zugpferd und war um
die 40 Stundenkilometer schnell.
Abbildungen vom Adlerzug zeigen, dass die ersten Wagen eigentlich wie Kutschen
gebaut waren, die man auf Eisenbahnräder gesetzt hatte. In Württemberg orientierte man
sich zunächst an den vierachsigen Modellen aus Amerika, die mit ihren Drehgestellen einen
gewissen Fahrkomfort boten. Später kamen auch Waggons mit zwei und drei
Achsen dazu.
Die erste und zweite Klasse wurden mit einem Kohleofen beheizt und mit Öllampen oder
Kerzen beleuchtet. Toiletten gab es anfänglich nicht, nur in den Bahnhöfen befanden
sich die entsprechenden Einrichtungen. Wegen der kurzen Aufenthalte der Züge muss sich
hier so manche kleine Tragödie abgespielt haben, wenn es einmal ganz arg pressierte und
der Zug abfahren wollte.
Geheimrat Johann Wolfgang von Goethe ist auf endlosen Fahrten mit Postkutschen sogar bis
nach Süditalien und wieder zurück gereist, brauchte rund 20 Monate und hat dabei
zweimal die Alpen überquert. Man war seinerzeit bei weitem nicht so vewöhnt wie heute und
der Dichterfürst konnte sich, dank seiner gut gefüllten Reisekasse, bei standesgemäßer
Bewirtung und ordentlichem Nachtlager von den Reisestrapazen immer wieder erholen.
Ausgesprochen hart war das Leben der Fuhrleute, die mit Ochsen- und
Pferdegespannen schwere Lasten zu transportieren hatten. Besonders an Steigungen
waren die Zugtiere schwer gefordert, deshalb richtete man an den Enden von steilen Wegstrecken
Pferdewechsel-Stationen ein, wo erschöpfte Tiere bei Bedarf durch ausgeruhte ersetzt
werden konnten. Das so genannte „Steigenhaus" oberhalb von Untermünkheim erinnert
heute noch an diese Zeit.
Mit der Inbetriebnahme der Eisenbahnlinie Heilbronn - Öhringen - Schwäbisch Hall im Jahr
1862 verstummte das Posthorn und die Leute lauschten dem Pfiff der Lokomotiven.
Die Zeit der Postkutschen in Hohenlohe war damit für immer vorbei.
Hohenloher Zeitung, 30. März 2012: